„Heile Welt zum Anziehen" - so lautet der Titel eines Artikels von Anne Waak in der „Welt am Sonntag” vom 18. September 2011.
Vielleicht wollen Dirndl-Trägerinnen gar keine Verbundenheit zu Allgäuer Butterkühen ausdrücken? Ich fühle mich kalifornischen Goldgräbern nicht verbunden, obwohl ich Jeans trage.
Ideologisch belastet? Für die meisten nach 1970 Geborenen wohl nicht. Ich laufe nicht barfuß, weil üble Diktatoren Schuhe getragen haben. Die Jugend prägt einen Menschen. Frau Waak wird sich nie in einem Dirndl wohlfühlen - es sei denn auf dem Oktoberfest.
Vielleicht machte es Frau Waak dennoch Spaß, im Dirndl zu posieren. Die gewollt saure Miene kann ich gar nicht ernst nehmen. Für die Mädel hier im Westfalenland ist ein Dirndl ein Spaß. Es gefällt ihnen einfach. Gewiss schöner anzusehen als ganz schwarz. Sie zeigen den Mut, aufzufallen. Sie distanzieren sich auch von meiner Generation, die jeden Heimatfilm in die Schublade „Heimatfilm” einordnet.
Schlimm, wenn es die heile Welt zum Anziehen nicht gäbe! Ich übersetze einen Hit aus den 70ern: „Ich ziehe morgens meine Jeans an und fühle mich wohl.” Die heile Welt anziehen, und dann ab in den Alltag mit seiner Mühe und Not, Lügen und Intrigen, mit Liebe und Glück.
Mit dem Dirndl zieht die junge Westfälin eine andere Rolle an. Raus aus der Arbeit, raus aus der Rolle der Vorturnerin, raus aus allen anderen Rollen. Die Botschaft ist vielleicht: „Hallo, schaut mich an. Ich bin schön und ich fühle mich wohl.” Anneliese, Xiatsu, Oxana, Una und Emma bestätigen es.