Später Sonntagnachmittag im Eiscafe Majer. „Eigentlich wollte ich heute noch eine Puppe fertigmachen für den nächsten Sonntag.” - „Ist das viel Arbeit?” - „Auspacken, zusammensetzen, Namen geben, Perücke aussuchen, Schuhe finden, Brautkleid aussuchen, erstes Outfit zusammenstellen - bestimmt eine Stunde." - „Und bügeln!” - „Na, ich sag meinen Puppen ja immer, sie sollen ihre Kleider bügeln, aber sie tun es nicht. Da sind sie wie ich - ich trage ja auch bügelfreie Hemden." (Bügelfrei heißt nicht knitterfrei - Anmerkung des Lektors).
Dann am Abend zu Hause. Ich öffne den großen Karton. Die Puppe im „Schneewittchensarg” ist gut eingepackt in Luftkissen-Beutel. Ich nehme zunächst die Hüfte mit dem Standbein - es ist ihr rechtes Bein. Habe ich schon einen Namen für die Puppe? Ja, Oxana. Ich schreibe ihren Namen auf die „Schnittstellen”.
Oxana ist eine einfache Puppe. Ihr „Spielbein” hat einen Metallhaken, der in einen Schlitz in eine Blechplatte unter dem Hüftteil eingeführt wird. Das Spielbein um 90 Grad drehen - fertig. Oxana ist aus glasfaserverstärktem Kunststoff, die Metall-Verbindungen sind eingeklebt. Oxana sollte die meiste Zeit im Fenster stehen, wenn es nach dem Willen ihrer Macher ginge. Ohne Standplatte bei Wind und Wetter draußen, dafür ist sie ziemlich verletzlich. Aber das ist ihr Puppenleben. Manche Puppen sind so „unkaputtbar” wie eine Bankkarte, mit eingegossenen Verbindungen aus Hart-Kunststoff.
Ich schreibe ihren Namen auf das Spielbein und hänge es ein. Wie sind ihre Füße? Ich schätze Größe 38, mittelhoher Absatz. Schuhe suchen. Erste Anprobe, Größe ideal, aber der Absatz etwas zu hoch. Ein Keil kann das ausgleichen, aber Oxana sucht weiter. Zweite Anprobe - Absatz auch zu hoch. Dritter Versuch - zu groß, das geht gar nicht. Vierter Versuch - ok, die ideale Absatzhöhe. Die Schuhe könnten eine halbe Nummer kleiner sein. Aber wir müssen Kompromisse eingehen, denn wir haben nur eine begrenzte Auswahl an Puppenschuhen. Oxana steht recht gut - manche Puppen haben schrecklich verdrehte Beine.
Jetzt der Oberkörper mit Kopf, Arme und Hände - Oxanas Namen auf alle „Schnittstellen” schreiben, den Oberkörper aufsetzen, die Hände anschrauben. Oxana ist siebenteilig: Hüften mit Standbein, Spielbein, Oberkörper, zwei Arme und zwei Hände. Sie ist groß und sportlich schlank - gut gebaut, nicht so dünn wie Betty. Sie braucht jetzt Wäsche. Unsere Puppenwäsche ist gar nicht gut sortiert. Ich gebe Oxana erst einmal einen Tanga. Anprobe weißes Corselet - zu weit. Zweiter Versuch: trägerloser weißer BH - na ja. Dann noch einen weißen und einen schwarzen Body.
Für ihren ersten Tag braucht Oxana ein hübsches Brautkleid. Erste Anprobe: Gr. 36, glattes, glänzendes Oberteil mit Spaghettiträgern, weiter, knieumspielender Tüllrock, Jäckchen, Schleier - na ja. Zweite Anprobe: Ami-Kleid mit Tüll und Pailletten, kurz, Farbverlauf cremeweiß, um die Hüften leicht rosa, schulterfrei, Brautalarm total - oben herum leider zu weit. Dritte Anprobe: Tüllkleid wie von der Fee Amaryllis - ziemlich eng. Das wäre ein Kleid für Betty oder die kleine Annette. Vierte Anprobe: 70er - oh ja, ein Kleid wie für Oxana gemacht. Das ist es!
Welche Haarfarbe hat Oxana? Das entscheidet Oxana ganz allein. Ich schließe die Augen und greife in den Perückenkarton. Schon wieder nicht blond. Jemand hat mich mal gefragt, ob die Puppen alle blond sind. Definitiv nicht, aber alle schön.
Das Outfit, in dem Puppen zum ersten Mal nach draußen gehen, ist sozusagen traditionell aus dem Müll. Erster Vorschlag: ein Rock einer viel beworbenen Marke (wie denn sonst?) - super, genau Oxanas Größe. Warum war der Rock nur im Müll? Was dazu? Eine rote Hemdbluse? Ziemlich oversized - ach nee. Ein kurzes rosa Top? - na ja, ok, nehm ich.
Name, Schuhe, Stehprobe, Wäsche, Brautkleid, Frisur, Erst-Outfit: ein Blick auf die Uhr - 75 min. Die Stunde war nicht zu knapp geschätzt. Die Sachen für den Foto-Ausflug suchen wir erst direkt vor dem Ausflug aus.